Das Birkenbachtal bei Pracht war zuletzt mehrfach Thema von Leserbriefen. Durch die Schafsbeweidung in der Aue würden wertvolle Orchideenbestände abgefressen, Pferchhaltung sowie hohe Viehanzahl verursache Verkotung von Magerflächen, das Zertrampeln, Nährstoffanreicherung und Überweidung der Grünlandflächen, hieß es da. Und: Die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Altenkirchen solle den – so wurde es bezeichnet – „irrsinnigen“ Einsatz von Schafen einstellen, um den Artenreichtum der Flächen zu erhalten.
Beweidung und Pflegemaßnahmen dienen dem Artenreichtum
Aus fachlicher Sicht stellt sich die geschilderte Situation deutlich anders dar: „Die Birkenbachaue war viele Jahre lang verbuscht und bedingt durch fehlende Beweidung und Nutzung beschattet, in der Folge artenärmer ausgeprägt. Erst durch eine angepasste Nutzung in Form der Schafsbeweidung, ergänzt durch Pflegemaßnahmen wie Rückschnitt und Freistellung der Aue, konnte eine Öffnung und Besonnung des Talbereiches erzielt werden, in dessen Folge sich wiederum eine artenreichere Pflanzenzusammensetzung entwickeln konnte“, erklären Jessica Gelhausen von der Unteren Naturschutzbehörde und Peter Weisenfeld, zuständiger Biotopbetreuer des Kreises.
Faktisch ist es demnach tatsächlich so, dass erst durch die Beweidung wieder die Voraussetzung für die Erhöhung des Artenreichtums geschaffen werden konnten und sich in der Folge auch wieder vermehrt Orchideenbestände etablieren und vermehren konnten. Der Fachbehörde der Kreisverwaltung und dem Biotopbetreuer sind die Orchideenbestände vertraut und die Bewirtschaftung der Flächen wird gezielt so gesteuert, dass sowohl Orchideen als auch viele weitere seltene Pflanzen- und Tierarten davon profitieren. Diese positive Artenentwicklung unterliegt einem engmaschigen naturschutzfachlichen Monitoring durch Biotopbetreuer und Behörden und wird jährlich dokumentiert.
Beweidungsrhythmus und Anzahl der Schafe sind streng geregelt
Auch zur Schafhaltung nimmt die Untere Naturschutzbehörde Richtigstellungen vor: Entgegen der Darstellung in Leserbriefen wird der Nachtpferch der Schafe stets außerhalb der wertvollen Bestände errichtet. Die Orchideenstandorte sind aufgrund ihrer hohen Bodenfeuchte als Nachtpferch gänzlich ungeeignet und kämen für den zuständigen und erfahrenen Schäfer daher generell nicht in Frage. Der Beweidungsrhythmus sowie die Anzahl der Schafe auf der Fläche sind nicht willkürlich gewählt, sondern unterliegen strengen landesweiten Vorgaben, welche die Bewirtschaftung der geschützten Flächen detailliert vorgeben. Die Flächen sind Teil eines landesweiten Förderprogrammes, auch hier finden jährliche Überprüfungen sowie bei Bedarf Anpassungen der Bewirtschaftungen durch den Vertragsnaturschutzberater (Biotopbetreuer) und die zuständigen Behörden statt.
Schließlich weist die Behörde darauf hin, dass artenreiche Grünlandflächen wie die Birkenbachaue, aber auch viele Naturschutzgebiete, ursprünglich erst durch menschliche Nutzung in Form von Bewirtschaftung und Nutzbarmachung entstanden sind. Sie seien wichtiger Teil der überlieferten Kulturlandschaft und Lebensraum für eine große Anzahl an Tier- und Pflanzenarten. Sollte jedoch keine entsprechende Nutzung dieser Offenlandflächen zum Beispiel durch Schafsbeweidung stattfinden, entwickeln sich diese Flächen über Verbuschungsstadien hin wieder zurück in Waldflächen. Gleichzeitig verschwindet damit jedoch auch der Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten, welche offene, sonnige Habitate besiedeln, zum Beispiel Orchideen, Bienen und Schmetterlinge. Bezogen auf das Birkenbachtal bedeutet dies, dass die Orchideen keineswegs durch die Schafsbeweidung bedroht sind, sondern vielmehr dadurch, dass keine Beweidung mehr stattfindet und die Aue wieder verbuscht und verschattet wird. Der Verbiss schadet den Wiesenpflanzen Orchideen übrigens nicht, sie sind Teil der Pflanzenzusammensetzung und treiben genau wie gängige andere Wiesenpflanzen (z.B. Margerite) nach der Nutzung wieder aus.
Regelmäßig öffentliche Pflegeeinsätze und Exkursionen
Der Artenreichtum des Birkenbachtals werde nicht nur durch das landesweite Bewirtschaftungskonzept und Förderprogramm, sondern auch über viel ehrenamtliches Engagement der Dhamma-Stifung (Kloster Hassel) vorbildlich gesichert und gestützt. Verteilt über das Jahr gebe es Pflegeeinsätze und Exkursionen, die öffentlich bekannt gemacht werden und die für jedermann zugänglich seien, berichtet Peter Weisenfeld. Es gebe somit zahlreiche Möglichkeiten, sich vor Ort und im direkten und realen Austausch ein fundiertes Bild der durchgeführten Maßnahmen zu machen, gegebenenfalls selber anzupacken, Anregungen zu geben oder mögliche Kontroversen zu diskutieren.